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Gericht: Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urteil verkündet am 10.11.2004
Aktenzeichen: 6 Sa 1255/04B
Rechtsgebiete: ArbGG, VO, BGB
Vorschriften:
ArbGG § 64 Abs. 2 | |
VO § 8 Abs. 1 | |
VO § 8 Abs. 2 | |
VO § 8 Abs. 3 | |
BGB § 286 | |
BGB § 288 |
Landesarbeitsgericht Niedersachsen IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am: 10.11.2004
In dem Rechtsstreit
hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auf die mündliche Verhandlung vom 10.11.2004 durch den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Becker als Vorsitzenden und den ehrenamtlichen Richter Wichmann und die ehrenamtliche Richterin Küster als Beisitzer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 1.7.2004 -2 Ca 176/04 B- teilweise abgeändert unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 5.145,76 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB auf jeweils € 321,61 ab dem 1.12.2002, 1.1., 1.2., 1.3., 1.4., 1.5., 1.6., 1.7., 1.8., 1.9., 1.10., 1.11., 1.12.2003, 1.1., 1.2. und 1.3.2004.
Die Beklagte wird verurteilt, beginnend im März 2004 fällig zum 31.3.2004 eine monatliche zusätzliche Versorgung in Höhe von € 335,02 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Höhe der Betriebsrente des Klägers.
Der 1937 geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 06.08.1979 bis zum 31.10.2002 als Schichtmeister angestellt. Nach der seit dem 01.01.1989 geltenden Versorgungsordnung der ICI Wilhelmshaven GmbH & Co.(VO) erhält der Kläger seit dem 01.11.2002 eine Grundversorgung und eine Zusatzversorgung gemäß Plan II, letztere in Höhe von 13,48 € monatlich.
Der Errechnung der Betriebsrente legte die Beklagte ein ruhegeldfähiges Einkommen des Klägers für Januar 2002 in Höhe von € 4.535,17 zugrunde, mithin € 35,17 über der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung. Daraus errechnete sie auf der Grundlage von 23 Dienstjahren und dem Faktor 1,67 % die Zusatzversorgung von € 13,48. Dabei ließ die Beklagte Nachtarbeits-, Feiertags- und Sonntagszuschläge (SFN-Zuschläge) unberücksichtigt, obwohl diese Zuschläge entsprechend dem Schichtplan seit Beginn des Arbeitsverhältnisses ständig angefallen waren. Bei der Berechnung von Urlaubsgeld, Weihnachtsgratifikation und Entgeltfortzahlung gehen diese Zuschläge mit einem Durchschnittswert von 18,5 % des Grundgehalts in die Berechnung ein.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, diese Zuschläge seien bei der Errechnung seiner Zusatzversorgung ebenfalls mit 18,5 % einzubeziehen, so dass sich seine Zusatzversorgung auf € 335,02 monatlich belaufe. Nur die Gestaltung des Schichtplans und kalendarische Zufälle führten zu Unterschieden in der Höhe der Zuschläge.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 5.145,76 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf jeweils € 321,61 ab dem 30.11.2002, 31.12.2002, 31.01.2003, 28.02.2003, 31.03.2003, 30.04.2003, 31.05.2003, 30.06.2003, 31.07.2003, 31.08.2003, 30.09.2003, 31.10.2003, 30.11.2003, 31.12.2003, 31.01.2004, 29.02.2004,
2. die Beklagte zu verurteilen, monatlich im voraus, beginnend mit dem 01.03.2004, erstmals fällig zum 31.03.2004, eine monatliche betriebliche Zusatzversorgung in Höhe von € 335,02 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 01.07.2004 die Klage abgewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand und wegen der Würdigung dieses Vorbringens auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Arbeitsgerichts ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen dieses ihm am 07.07.2004 zugestellte Urteil am 06.08.2004 Berufung beim Landesarbeitsgericht eingelegt und diese nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 05.10.2004 an diesem Tage begründet.
Im Berufungsverfahren ist zwischen den Parteien unstreitig geworden, dass im Betrieb der Beklagten von 290 Mitarbeitern zwischen 140 und 180 ihre Arbeit nach einem jährlich erstellten Schichtplan erbringen, der nach Bedarf angepasst wird, wobei im vier-Schicht-Rhythmus, aber auch im fünf-Schicht-Rhythmus rund um die Uhr gearbeitet wird. Dabei ist ein Wechsel von Schicht zu Schicht nicht ungewöhnlich. Etwa 40 aktive Arbeitnehmer und 10 Betriebsrentner erfüllen die Voraussetzungen der Zusatzversorgung nach Plan II der Versorgungsordnung.
Der Kläger verweist darauf, dass über das Jahr gesehen seine Arbeitszeit auf eine gleiche Zahl von Sonntagen, Feiertagen und Nächte gefallen ist. Die Zusatzversorgung der Beklagten solle die Rentenlücke schließen, die sich daraus ergibt, dass sein Arbeitseinkommen regelmäßig oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze gelegen hat, seine Angestelltenversicherungsrente aber auf sein Arbeitseinkommen innerhalb der Beitragsbemessungsgrenze bezogen ist.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Beklagte nach seinem erstinstanzlichen Schlussantrag zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Urteil des Arbeitsgerichts als der Rechtslage entsprechend und wiederholt ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie meint, die dem Kläger für Nachtarbeit, Feiertagsarbeit und Sonntagsarbeit gewährten Zuschläge seien nicht den versorgungsfähigen Bezügen zuzurechnen, weil sie in der Höhe schwankten. Die Schwankungen resultierten aus dem Schichtplan, demzufolge jeder einzelne Mitarbeiter in jedem Monat unterschiedlich eingesetzt war. Die Versorgungsordnung lege aber das Einkommen im Monat Januar als Bemessungsgrundlage fest und nicht den Jahresdurchschnittswert. Die Auffassung des Klägers führe zu unbilligen Ergebnissen je nachdem, ob ein Mitarbeiter im Januar des maßgebenden Jahres seines Ausscheidens überhaupt und in unterschiedlichem Umfang insbesondere Sonntags- und Nachtschichten geleistet hat. Deshalb schließe die Versorgungsordnung solche unterschiedlich anfallenden Vergütungsbestandteile wie Sonntags-, Feiertags- und Nachtschichtzuschläge von der Berechnung aus.
Zudem sei einzelvertraglich mit dem Kläger vereinbart, dass er auch gänzlich von Sonntags- und Feiertags- und Nachtarbeit habe ausgeschlossen werden können. Im übrigen sei es Sache der Beklagten gewesen, das versorgungsfähige Einkommen in der Versorgungsordnung festzulegen.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung und deren Erwiderung ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die gemäß § 64 Abs.2 ArbGG in dieser vermögensrechtlichen Streitigkeit statthafte Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Der Kläger hat sich ausführlich mit den Entscheidungsgründen des Urteils des Arbeitsgerichts auseinandergesetzt und ist ihnen entgegengetreten. Damit ist seine Berufung zulässig.
II.
Die Berufung ist begründet. Die Beklagte schuldet dem Kläger die geforderte Zusatzversorgung bis auf einen geringfügigen Teil der Zinsforderung.
1.
Die Beklagte schuldet dem Kläger eine Zusatzversorgung nach Plan II von € 335,02 brutto monatlich. Denn das versorgungsfähige Einkommen des Klägers im Monat Januar 2002 erhöht sich entgegen der Berechnung der Beklagten um die SFN-Zuschläge um € 913,20, so dass sich seine Zusatzversorgung um 38,341 % dieses Betrages und damit um € 350,13 auf € 363,61 erhöht.
Nach § 8 Abs.1 VO schuldet die Beklagte eine Zusatzversorgung für den Teil des ruhegeldfähigen Einkommens, der die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Angestelltenversicherung übersteigt.
§ 8 Abs.2 VO bestimmt als Bemessungsgrundlage den Teil des ruhegeldfähigen Einkommens im Monat Januar dieses Kalenderjahres, der die zu diesem Zeitpunkt gültige Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Angestelltenversicherung übersteigt.
Das ruhegeldfähige Einkommen wird in § 8 Abs.3 VO definiert als "das Bruttomonatsgehalt ohne Überstunden- und Mehrarbeitsvergütungen, Gewinnbeteiligungen, über zwölfmal hinaus gezahlte Monatsbezüge, Urlaubsgeld, vermögenswirksame Leistungen, Jubiläumsgaben, Gratifikationen, Sachbezüge, Aufwandsvergütungen oder sonstige einmalige, nicht monatlich regelmäßig gezahlte oder in der Höhe schwankende Zuwendungen".
Entgegen der Auffassung der Beklagten fallen die SFN-Zuschläge nicht unter die "sonstigen einmaligen, nicht monatlich regelmäßig gezahlten oder in der Höhe schwankenden Zuwendungen". Die als Betriebsvereinbarung bestehende VO ist nach den Grundsätzen der Gesetzesauslegung objektiv auszulegen. Es kommt in erster Linie auf Wortsinn und Systematik sowie einen aus dem Wortlaut und der Systematik ohne weiteres erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung an.
Unter Zuwendungen werden Leistungen des Arbeitgebers verstanden, die über die Vergütung der geleisteten Arbeit hinaus aus besonderem Anlass gewährt werden. Die SFN-Zuschläge entgelten aber - tariflich geregelt - die Arbeitsleistung und bestimmen die Höhe des Arbeitsverdienstes, wenn die Arbeit erschwert, nämlich zu ungünstigen Zeiten zu leisten ist. Die Zuschläge sind Bestandteil des Bruttomonatsgehalts, wobei einzuräumen ist, dass die Begriffe "Bruttomonatsgehalt" und "Zuwendung" mitunter auch unscharf auf andere Sachverhalte bezogen werden.
Die systematische Auslegung ergibt, dass die Betriebsparteien dem ruhegeldfähigen Einkommen nur die Arbeitsvergütung für die tarifliche/betriebliche Arbeitszeit zugrunde legen wollten durch den Ausschluss der darüberhinaus geleisteten Überstunden oder Mehrarbeit. Dies betrifft die Zuschläge des Klägers für SFN-Arbeit nicht. Es folgt dann die Aufzählung der den Betriebsparteien namentlich bekannten Leistungen beginnend mit "Gewinnbeteiligungen" bis "Aufwandsvergütungen", wobei es sich wie bei den "Gratifikationen" um ursprünglich freiwillige Leistungen des Arbeitgebers handelt, die der Förderung eines besonderen sozialen Zwecks dienen wie die aufwendige Urlaubsgestaltung, Sparförderung oder der Deckung der mit einem Jubiläum verbundenen Mehrkosten. Diese Aufzählung kann ohne weiteres unter den Begriff "Zuwendungen" zusammengefasst werden.
Der Begriff "Sachbezüge" kann angefangen von der Privatnutzung eines Dienstfahrzeugs bis zu Vorteilen bei der Ernährung oder dem Wohnen und den Fahrten von und zur Arbeit und zu Einkaufsvergünstigungen als entgeltlicher Vorteil verstanden werden, der als steuerpflichtiges Einkommen gilt und der Entgeltvergütung zuzurechnen ist. Bei den genannten "Aufwandsvergütungen" dürfte es sich einfach um Auslagenersatz handeln, also in keiner Weise um Arbeitentgelt.
Ersichtlich wollten die Betriebsparteien auch künftig entstehende Zuwendungen, deren Benennung und Zahlungsgrund noch nicht bekannt war, ausschließen und haben an der Unregelmäßigkeit der Zahlung bezogen auf Zahlungsintervalle und Zahlungshöhe angeknüpft.
Es ist anzunehmen, dass die Betriebspartner den Zweck verfolgten, das ruhegeldfähige Einkommen als die Arbeitsvergütung zu definieren, die auf die tarifliche/betriebliche Arbeitszeit entfällt, ohne Sonderleistungen, die nicht synallagmatisch mit der Arbeitsleistung verbunden sind. Darüberhinaus sind nur noch die Sachbezüge ausgeschlossen.
Bei Abschluss der Betriebsvereinbarung über die VO war den Betriebsparteien das Vorhandensein und die Bedeutung der SFN-Zuschläge, die an die Hälfte der Mitarbeiter gezahlt wird, so geläufig, dass anzunehmen ist, dass die Betriebsparteien die SFN-Zuschläge in ihre namentliche Aufzählung auch aufgenommen hätten, wenn sie vom ruhegeldfähigen Einkommen hätten ausgeschlossen sein sollen. Anders lässt sich die zunächst ausführliche Aufzählung aller ausgenommenen Bezüge mit genauer Bezeichnung nicht erklären. Die am Schluss des Unterabsatzes definierten, nicht namentlich bezeichneten Zuwendungen sollten ersichtlich zukünftige gratifikationsartige Leistungen, deren Bezeichnung und Leistungsgrund noch nicht bekannt war, ausnehmen, soweit es sich dabei um unregelmäßige Leistungen bezüglich ihrer Zahlungsweise oder -höhe handelte. Darunter fallen die SFN-Zuschläge nicht.
Dagegen kann die Beklagte nicht mit Erfolg einwenden, die Berücksichtigung der SFN-Zuschläge führe im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen. Da die VO am Bruttomonatsgehalt des Monats Januar anknüpft und nicht etwa einen Vergütungsdurchschnitt eines längeren Zeitraums zugrunde legt, sind derartige Zufälligkeiten, die vom Schichtplan und der Zufälligkeit des Kalenders abhängen ( 1.Januar z.B. an einem Sonntag) Gegenstand der Regelung. Zudem halten sich die Abweichungen von dem auf 18,5 % errechneten mittelfristigen Durchschnitt in engen Grenzen.
2.
Die Zinsforderung für die kalendermäßig bestimmten Leistungen rechtfertigt sich nach §§ 286, 288 BGB ab Eintritt des Verzugs für die am letzten eines Monats fällig werdenden Leistungen ab dem 01. des Folgemonats.
Wegen der weitergehenden Zinsforderung ab letztem Fälligkeitstag war die Berufung zurückzuweisen.
III.
Gemäß § 92 Abs.2 ZPO waren die Kosten des Rechtsstreits insgesamt der Beklagten aufzuerlegen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache hat die Kammer die Revision zugelassen.
Ende der Entscheidung
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